ONE WORLD

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Offener, einphasiger Kunst-am Bau-Wettbewerb Humboldt Forum – zeitgenössische Fassade am Nordgiebel zum Lustgarten
Entwurf, 2. Auswahlrunde, 2025

Der Entwurf sieht die Anbringung einer aus recycelten Aluminiumplatten zusammengesetzten Wandarbeit vor, aus der eine Weltkarte ausgestanzt ist, die inspiriert ist von der Airocean World Map von Buckminster Fuller. 

Die Weltkarte ist eine unkonventionelle Darstellung der Erde, die sich grundlegend von herkömmlichen kartografischen Projektionen unterscheidet. Sie ist nicht genordet, sondern zeigt die Kontinente als zusammenhängendes, gleichwertiges Netzwerk ohne die Verzerrungen, die etwa bei der weit verbreiteten Mercator-Projektion auftreten. Damit verzichtet die Karte auf eine hierarchische Weltordnung, die Europa oder Nordamerika in den Mittelpunkt stellt, und bietet stattdessen eine alternative, gleichberechtigte Sicht auf den Planeten.

Ein Symbol für Vernetzung und Perspektivwechsel

Diese Perspektive steht im direkten Dialog mit den Leitgedanken des Humboldt-Forums. Als kultureller und wissenschaftlicher Ort mit internationaler Ausrichtung widmet sich das Forum der Auseinandersetzung mit globalen Verflechtungen – in historischer, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht. Die Weltkarte macht diese Verbindungen auf visuelle Weise erfahrbar: Sie verdeutlicht, dass die Erde als ein vernetztes Ganzes betrachtet werden kann, ohne künstliche Grenzen oder geografische Dominanzen.

Ein wesentliches Element des Entwurfs ist seine Lichtdurchlässigkeit. Die ausgestanzten Kontinente werfen je nach Tageszeit und Sonnenstand Schatten auf die dahinterliegende Fassade. So entsteht eine dynamische Wechselwirkung zwischen der festen Struktur des Gebäudes und der sich ständig verändernden Projektion der Weltkarte. Dieses Spiel aus Licht und Schatten wird zu einer Metapher für den Wandel unseres Weltbildes: Kulturen und historische Narrative sind nicht statisch, sondern im Fluss begriffen, beeinflusst durch neue Erkenntnisse, veränderte Perspektiven und den interkulturellen Austausch.

Materialität und Integration in die Architektur

Die Wahl des Materials trägt maßgeblich zur Wirkung der Installation bei. Das beschichtete Aluminium in Sepia Brown Feinstruktur metallic matt sorgt für eine elegante, zurückhaltende Optik, die sich harmonisch in die Architektur des Humboldt-Forums einfügt. Die Materialgleichheit mit der Fensteranlage schafft eine visuelle Verbindung zwischen den einzelnen Elementen der Fassade und unterstreicht die konzeptionelle Einheitlichkeit des Entwurfs.

Mit einem Abstand von ca. 20 cm vor die Fassade geschraubt, entsteht eine schwebende, leichte Wirkung, die je nach Lichtverhältnissen ein vielschichtiges Spiel aus Schatten und Reflexionen erzeugt. Durch die Abstandsmontage der Platten entsteht zudem eine physische Tiefe, die das Kunstwerk von der Gebäudestruktur abhebt. Dieses Schweben im Raum verleiht der Weltkarte eine fast immaterielle Qualität und verstärkt die Assoziation mit offenen, durchlässigen Grenzen. Das Humboldt-Forum selbst ist als Ort des Austauschs gedacht – ein Raum, der nicht abschließt, sondern verbindet. Die Weltkarte transportiert genau diese Idee: Sie macht sichtbar, dass Grenzen nicht naturgegeben sind, sondern das Ergebnis historischer und politischer Entwicklungen.

Die Projektion der Welt 

Die Wahl für eine alternative Weltprojektion geht über eine rein ästhetische Entscheidung hinaus. Buckminster Fuller, der die Karte 1943 entwickelte, war einer der einflussreichsten Visionäre des 20. Jahrhunderts. Er beschäftigte sich mit nachhaltigen, ganzheitlichen Konzepten für eine gerechtere und effizientere Welt und propagierte eine Denkweise, die über nationale und kulturelle Grenzen hinausging. Seine Dymaxion-Karte sollte eine neue Sichtweise auf die Erde ermöglichen – eine, die nicht auf Trennung, sondern auf Kooperation basiert.

Diese Grundidee spiegelt sich auch in den inhaltlichen Schwerpunkten des Humboldt-Forums wider. Die Auseinandersetzung mit Kolonialismus, Globalisierung und transkulturellen Beziehungen verlangt nach neuen, kritisch reflektierten Sichtweisen auf die Welt. Indem die Weltkarte nicht genordet ist, entzieht sie sich einer festgelegten Perspektive und fordert dazu auf, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen.

Das Humboldt-Forum positioniert sich als ein Ort, der Wissen nicht nur vermittelt, sondern auch zur Reflexion anregt. In diesem Kontext wird die künstlerische Arbeit zu mehr als einer bloßen Fassadengestaltung – sie wird zu einem Statement über das Selbstverständnis der Institution: offen für neue Sichtweisen, kritisch gegenüber überkommenen Denkmustern und bereit, globale Zusammenhänge in ihrer ganzen Komplexität zu betrachten.

Die Verbindung von Vergangenheit und Zukunft

Das Humboldt-Forum befindet sich im rekonstruierten Berliner Schloss, einem Gebäude mit einer vielschichtigen Geschichte. Es steht sowohl für die preußische Vergangenheit als auch für die wechselvolle Geschichte Berlins im 20. Jahrhundert. Die künstlerische Installation setzt sich mit dieser Historie auseinander, indem sie eine bewusst zukunftsgewandte, globale Perspektive einnimmt.

Während die Schlossarchitektur historische Bezüge herstellt, erinnert die Weltkarte daran, dass kulturelle Identität nicht auf nationale oder regionale Narrative reduziert werden kann, sondern stets das Ergebnis globaler Interaktion ist. Die Wahl einer Weltkarte als Motiv knüpft an die lange Tradition kartografischer Darstellungen in repräsentativer Architektur an – allerdings in einer Form, die nicht Herrschaft und Besitzansprüche symbolisiert, sondern Offenheit und Vernetzung.

Interaktion mit den Betrachter:innen

Die Arbeit lädt Besucher:innen dazu ein, ihre eigene Position innerhalb der globalen Zusammenhänge zu reflektieren. Je nach Blickwinkel verändert sich die Wahrnehmung der Karte: Mal erscheint sie klar und deutlich, mal wird sie durch Schatten und Lichtbrechung fragmentiert. Diese visuelle Vielschichtigkeit spiegelt die Art und Weise wider, wie Wissen konstruiert wird – immer abhängig vom Standpunkt und von der jeweiligen Perspektive.

Zudem verweist das Medium der gestanzten Aluminiumplatten auf die Rolle von Leerstelle und Negativraum: Die Kontinente sind nicht als Masse dargestellt, sondern als ausgeschnittene Formen. Damit wird die Welt nicht als feste, unverrückbare Struktur gezeigt, sondern als ein dynamisches Gefüge, das erst im Zusammenspiel mit Licht, Raum und Betrachtung vollständig wird.

Ein Kunstwerk als Denkraum

Diese Installation ist mehr als eine künstlerische Intervention im Stadtraum – sie ist ein Denkanstoß, eine Einladung zur Reflexion über die Art und Weise, wie wir die Welt sehen und verstehen. Sie verbindet ästhetische Leichtigkeit mit konzeptioneller Tiefe, architektonische Integration mit inhaltlicher Relevanz.

Indem die Weltkarte traditionelle Perspektiven aufbricht und alternative Weltbilder vorschlägt, schlägt sie eine Brücke zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft. Sie steht sinnbildlich für die Ziele des Humboldt-Forums: ein Raum zu sein, in dem Wissen nicht nur bewahrt, sondern hinterfragt, diskutiert und neu gedacht wird.

Material:                             End-of-Life Aluminium (Recycling-Aluminium)
Abmessungen:                  ca. 14,5m hoch und ca. 5,50m breit
Oberflächen:                     Sepia Brown Feinstruktur metallic matt
Gewicht:                             ca. 600 kg (bei 3mm Stärke)
Lebensdauer:                    75 Jahre
Pflegeaufwand:                 im üblichen Rahmen
Wartung:                             keine