262 Klinken

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2017

Deutschlandweiter, anonymer einphasiger Wettbewerb Kunst-am-Bau für den Neubau der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, 1. Preis mit Realisierung, mit Paul Jonas Petry

Konzept
Alle 262 Türen des Neubaus werden mit Türklinken versehen, die aus Gebäuden von politischen und gesellschaftlichen Akteuren stammen, die der Rosa-Luxemburg-Stiftung in unterschiedlicher Weise verbunden sind. Im Gegenzug erhalten die Partnerinnen und Partner jeweils einen der für den Neubau vorgesehenen Türgriffe. In einer kuratierten weltweiten Sammel- und Austauschaktion gibt man sich also gegenseitig die Klinke in die Hand und bleibt gerade dadurch nachhaltig in Kontakt.

Solidarität und Internationalität
In jedem Gebäude erfüllen Türen aufschlussreiche Rollen, indem sie Zugänge eröffnen oder versperren. Wenngleich wir sie häufig im verschlossenen Zustand antreffen, liegt ihre primäre Bedeutung doch darin, Räume zu erschließen. Die Klinke ist als Türöffner der Inbegriff dieser Schwellen überschreitenden Funktion. Wer Türen öffnet, schafft zudem Verbindungen, ermöglicht Begegnungen, pflegt Gastfreundschaft. Die soziale Dimension von Türgriffen ist aber nicht nur in räumlicher, sondern auch in zeitlicher Hinsicht bedeutsam. Die Klinken haben eine Geschichte – sichtbar schon am Design, das nicht nur auf den Verwendungszweck des Raumes oder des ganzen Gebäudes verweisen kann, sondern auch auf ihre Entstehungszeit schließen lässt, vor allem aber an den Abnutzungsspuren, die erahnen lassen, von wie vielen unterschiedlichen Händen sie unzählige Male berührt, ergriffen, gepackt, gedrückt oder gehalten wurden.

Unser Konzept hebt diesen scheinbar unscheinbaren, aber durch kein noch so gründliches Klinkenputzen zu beseitigenden narrativen Schatz ins Bewusstsein. Türklinken aus aller Welt und Zeit machen im Neubau der Stiftung die menschliche Diversität und Pluralität wie auch die gegenseitige Verbundenheit sichtbar und greifbar – analog dazu das jeweilige Pendant an 262 Türen von Partnerorganisationen, unterstützten Projekten und anderen durch Partizipation von Mitarbeiter/innen, Freund/innen, Förder/innen und Stipendiat/innen ausgewählten Gebäuden.

Damit werden die Klinken zum Inbegriff der Solidarität und Internationalität, die zum Grundanliegen der Rosa-Luxemburg-Stiftung und ihrer Namensgeberin gehören.

Wirksamkeiten
Es handelt sich um eine Installation, die in allen Räumen des Gebäudes präsent ist, wobei den Griffen der Eingangstüren aufgrund ihrer Außenwirkung besonderes Gewicht zukommt. Die Verbindung nach außen spielt aufgrund der Verbindung jeder einzelnen Klinke mit auswärtigen Gebäuden freilich auch innen eine entscheidende Rolle.

Die Installation – kleinteilig, unaufdringlich und doch mit dem Effekt eines echten Hinguckers – gibt dem Gebäude von Anfang an ein spürbares Gepräge, macht es lebendig und griffig, vermittelt atmosphärische Wärme und provoziert zugleich zum Zupacken und Aufgreifen. Ihr narratives Potential kann auch im übertragenen Sinn als Türöffner dienen: bei der Eröffnung von Gesprächen zwischen Tür und Angel, bei Begrüßungen von Besuchern oder bei Führungen.

(Text: Dr. Thomas Schmaus)

Statement des Jury-Vorsitzenden Henrik Mayer (Bildender Künstler, Projektgruppe REINIGUNGSGESELLSCHAFT):
«(…)Folgerichtig verknüpfen (Beeren und Petry) in ihrem prämierten Projektvorschlag Kunst, Architektur und gesellschaftliches Handeln. Die Türklinken des Neubaus werden mit Klinken aus Gebäuden von Institutionen vertauscht, die der Rosa Luxemburg Stiftung verbunden sind. Mit diesem sinnig, konzeptuellen Eingriff eröffnen die Künstler das Handlungsfeld für eine weltweite Sammel- und Tauschaktion. Diese macht als langfristiger künstlerischer Prozess das Feld der politischen Bildung für Menschen in Berlin und der ganzen Welt sowohl inhaltlich als auch haptisch begreifbar.»

Weitere Infos zum Wettbewerb hier.

Zum Projekt ist ein Katalog erschienen.